Morbi-RSA

„Hier geht es um Solidarität, Gerechtigkeit, Stabilität – und um sehr viel Geld!“

Pro Jahr bewegt das deutsche Gesundheitswesen über 220 Milliarden Euro, Tendenz steigend. Diese gigantische Summe verteilt der Gesundheitsfonds an insgesamt 110 Krankenkassen zur Versorgung ihrer Versicherten. Welche Kasse wie viel bekommt, entscheidet seit 2009 der Morbiditäts-Risikostrukturausgleich (Morbi-RSA) nach einem festgelegten Verteilungsschlüssel. Ein kompliziertes Finanzinstrument also, das es in sich hat.

Wer in Deutschland erkrankt, kann sich darauf verlassen, dass er alle medizinisch notwendigen Behandlungen erhält. Bezahlt werden sie von seiner Krankenkasse, z.B. der IKK BB, aus den Beitragseinnahmen aller Versicherten. Der Einzelne profitiert so von der solidarischen Gemeinschaft, in der Junge für Alte, Reiche für Arme und Gesunde für Kranke eintreten. Das klingt gerecht, ist aber im Wettbewerb bei immensem Kostendruck am Gesundheitsmarkt eine logistische Mammutaufgabe für alle Beteiligten. Zentral gesteuerte Finanzflüsse wie die des Morbi-RSA entscheiden daher mit über Beitragssatz und Erfolg einer Kasse.

Langer Weg des Geldes

Alle Krankenkassen, unter ihnen die IKK BB, leiten ihre Beitragseinnahmen an den Gesundheitsfonds , der alle GKV-Einnahmen zentral verwaltet. 2016 sammelten sich hier rund 224 Mrd. Euro. Dann geht es ans Umverteilen: Zur Deckung der Ausgaben für ihre Versicherten erhält jede Kasse berechnete Zuweisungen aus dem Morbi-RSA zurück. Deren Höhe richtet sich nach Kriterien wie standardisierten Durchschnittsausgaben, nach Alter, Geschlecht und weiteren Faktoren. Zusätzlich finden 80 festgelegte, kostenintensive Krankheiten bei den Zuweisungen besondere Berücksichtigung.

Gerechte Verteilung?

Das Ziel: Krankenkassen mit vielen alten und kranken Versicherten erhalten höhere Zuweisungen als Kassen mit mehr jungen, gesunden Kunden. Solidarisch erbrachte Gelder sollen so möglichst zielgenau dorthin gelangen, wo sie für die Versorgung tatsächlich benötigt werden. Aber, geschieht das auch? Detlef Baer, IKK BB-Verwaltungsrat und Vorsitzender des Grundsatzausschusses, sieht Fehler im System: „Ich erkenne keine gerechte Verteilung solidarisch erwirtschafteter Beitragsgelder. Ich sehe Gewinner des Systems, wie die AOK oder die KnappschaftBahnSee, deren Zuweisungen weit über dem Bedarf liegen. Dort kann Geld gehortet werden. Anderen Kassen dagegen droht die Unterfinanzierung, als Folge dann schlimmstenfalls eine Beitragssatzerhöhung.“

Reformbedarf an der Stellschraube

Der Ruf vieler Kassen, die systemische Stellschraube Morbi-RSA zügig neu auszurichten, scheint beim Gesetzgeber zwar angekommen. Aber die Zeit drängt. Detlef Baer sagt: „Uns geht es erst mal darum, den Morbi-RSA gegen offensichtliche Manipulationen abzusichern. Es kann doch zum Beispiel nicht angehen, dass Mitbewerber in Praxen Diagnosen beeinflussen, um Patienten kränker machen zu lassen und damit finanzielle Vorteile zu erzielen.“ Ein vom Ministerium beauftragtes Gutachten bewertet jetzt, wie präzise die für die finanzielle Stabilität so wichtigen Gelder derzeit ihr Ziel erreichen. Eine prioritäre Aufgabe der Politik ist es, den Morbi-RSA schnellstmöglich zu reformieren, um eine gerechte Verteilung - ohne Manipulationsmöglichkeiten - zu gewährleisten. Damit werden dann auch faire Wettbewerbsbedingungen geschaffen.

Zur Person: 

Detlef Baer ist seit 1999 ordentliches Mitglied im Verwaltungsrat der IKK BB. Er war bereits Verwaltungsratsvorsitzender für die Versichertenseite; aktuell hat er den Vorsitz des Grundsatzausschusses. Für die SPD sitzt er als Abgeordneter im brandenburgischen Landtag.  

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